29.01.2020: So viele wie nie zuvor: BRK-Wasserwacht Ortsgruppe Berchtesgaden blickt auf Rekord-Jahr mit 120 Einsätzen zurück
Viel Arbeit am Touristen-Hotspot Königssee – nach wie vor hoch motivierte Wasserretter des Roten Kreuzes kritisieren überzogene und realitätsferne Vorschriften – Ehrenamt darf nicht mit dem Beruf gleichgesetzt werden
SCHÖNAU AM KÖNIGSSEE (ml) – Die BRK-Wasserwacht Ortsgruppe Berchtesgaden war 2019 so oft wie nie zuvor in ihrer Geschichte gefordert und hat bei ihrer Jahreshauptversammlung im Schönauer Haus Hubertus auf 120 absolvierte Einsätze zurückgeblickt. Die trotz der vielen Arbeit nach wie vor hoch motivierten ehrenamtlichen Wasserretter des Roten Kreuzes werden vor allem am Touristen-Hotspot Königssee mit ihrem dort stationierten Rettungsboot außergewöhnlich oft zu Notfällen und Transporten alarmiert, wobei die Vorsitzende Elke Schneider und der Technische Leiter Franz Kurz einhellig mit Bürgermeister Hannes Rasp die aus ihrer Sicht mittlerweile überzogenen und von Freiwilligen oft nicht mehr erfüllbaren Vorschriften des eigenen Bezirks- und Landesverbands kritisierten. „Es darf nicht sein, dass das Ehrenamt mit dem Beruf gleichgesetzt wird – wir müssen die Kirche im Dorf lassen – irgendwann muss Schluss sein! Viel wichtiger ist, dass alle eine Ausbildung haben und im Notfall schnell da sind!“, betonte Rasp in seinem Grußwort.
„So geht es nicht mehr weiter, wenn unser eigener Verband von oben so viele Vorgaben macht!“, mahnt Kurz. Die nur theoretisch realisierbaren und in der Praxis überzogenen Ansprüche an die Leistung der Freiwilligen bringen nach Einschätzung der stärksten Wasserwacht-Ortsgruppe in der Region nichts, wenn sie so gut wie niemand mehr erfüllen und mit seinem restlichen Leben zeitlich unter einen Hut bringen kann; Leistung und Qualität resultieren aus langjähriger Erfahrung der Ortsgruppe automatisch, wenn die Leute mit Freude und Spaß bei der Sache sind. „Das funktioniert nur durch Motivation und nicht mit Druck und strengen Vorgaben, weil dann viele aufhören oder erst gar nicht mehr anfangen. Wir bräuchten einen 3-D-Drucker für unsere Aktiven oder ein Klon-Gerät für die Rentner, um langfristig einen Personal-Engpass vor allem während der regulären Arbeitszeiten unter der Woche zu verhindern, da die vielen nicht mehr erfüllbaren Anforderungen das Ehrenamt zerstören“, warnt Schneider.
45 Aktive leisten 6.735 ehrenamtliche Stunden und rücken zu 120 Einsätzen aus
Die derzeit 45 aktiven Einsatzkräfte haben alle mindestens die Ausbildung zum Rettungsschwimmer, sind aber oft mehrfach auch als Wasserretter, Rettungstaucher, Fließwasserretter, Bootsführer, Sanitäter, Luftretter, Canyon-Retter oder Ausbilder für verschiedene Fachbereiche qualifiziert. Sie mussten 2019 insgesamt 120 mal ausrücken und leisteten zusammen in allen Bereichen 6.735 ehrenamtliche Stunden. Damit im Notfall alles klappt, mussten sie viel üben und sich vorbereiten. Fast 2.400 Stunden investierten die Freiwilligen in Aus- und Fortbildungen. Allein die Vorsitzenden und die Technischen Leiter leisteten zusammen 1.700 Stunden, damit das „mittelständische Unternehmen“ der Berchtesgadener Wasserwacht das ganze Jahr über reibungslos und zuverlässig läuft. 100 mal rückte das Rettungsboot aus, 25 der Einsätze fanden zusammen mit der Bergwacht statt – oft auch mitten in der Nacht mit Bootstransfers für Mannschaft, Material und Fahrzeuge wie Quad und E-Bikes zu alpinen Einsatzstellen über den sonst nicht passierbaren Königssee.
39 der Einsätze waren medizinische Notfälle, die zum Teil zusammen mit Rettungswagen-Besatzungen, Hubschraubern (7) und Notärzten abgearbeitet wurden, darunter vor allem internistische Notfälle, aber auch Gelenksverletzungen, Prellungen und Brüche. 62 Einsätze waren Rettungen aus einer Gefahrenlage, oft vom steilen und eigentlich weglosen Ostufer des Königssees, aber auch für leichter verletzte, erschöpfte und erkrankte Bergsteiger, die nach langen Touren die Kursboote der Schifffahrt verpasst hatten. „Unser Boot ist dabei praktisch ein das ganze Jahr über verfügbarer Rettungswagen auf dem Wasser mit ausreichend Platz und Ausrüstung zur Patienten-Versorgung; wir können über die hydraulische Rampe flach liegende Patienten einladen und die vom Land aus oft nur schwer erreichbaren Steilufer gut anfahren“, erklärt Kurz. Während der sehr einsatzreichen Sommer-Monate betreibt die Wasserwacht am Königssee ein zusätzliches, zweites kleineres Boot – für die wenigen Einsätze am Obersee darf sie das dort stationierte Boot des Nationalparks mit nutzen. 2019 fand auch ein runder Tisch mit allen beteiligten Organisationen statt, um zu beratschlagen, wie es mit dem international durch soziale Medien bekannten und hoch frequentierten Gumpen im absturzgefährlichen Gelände am Königsbach-Wasserfall weitergehen soll, der Bergwacht und Wasserwacht immer mehr Einsätze beschwert.
Vier Tauch-Einsätze – zwei junge Männer in Gumpen ertrunken
Mit dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz hat der Freistaat ausdrücklich die Wasserwacht des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) und die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) mit der Wasserrettung beauftragt, wofür die Ortsgruppe in ihrer SEG unter anderem zehn Taucher und weitere zehn Taucher in der Kreis-Wasserwacht vorhält und regelmäßig auch im Nacht- und Eistauchen trainiert; 2019 mussten sie zu vier Einsätzen ausrücken, darunter der tragische Unfall am 23. April mit zwei toten jungen Männern im untersten Gumpen des Königsbach-Wasserfalls, die Bergung einer gebrochenen Turbinen-Schaufel im Wasserkraftwerk Uhlmühle und die Bergung eines Handys mit Kreditkarte an der Seelände sowie der Austausch eines Daten-Loggers zur Erforschung des unterirdischen Königssee-Zulaufs an der Falkensteiner Wand. Die Wasserwacht sicherte neben Filmdreharbeiten zur Serie Lena Lorenz auch die Verlegung des Glasfaser-Kabels im Königssee ab und kümmerte sich um die Einsatzkräfte-Verpflegung beim Schnee-Einsatz im Januar 2019. Besondere Einsätze waren zwei Vermissten-Suchen mit schlechter Prognose aber dann doch einem Happy-End, bei denen es auf Bergtouren Probleme bei der Absprache und Rückmeldung gab. Außergewöhnlich stark gefordert war die Wasserwacht am Touristen-Hotspot Königssee, wobei neben norddeutschen Urlaubern vor allem auch viele Patienten aus dem asiatischen und osteuropäischen Raum gerettet wurden und die Ehrenamtlichen auch sprachlich forderten. Während der Jahreshauptversammlung mussten drei Einsatzkräfte wegen eines in Bergnot geratenen Schneeschuhgehers am Röthsteig ausrücken.
Umfangreiche Übung und Ausbildung
Damit die Einsatzkräfte für die oft sehr spezifischen und auch für die Retter nicht ungefährlichen Notlagen fit sind, zeichnen die Technischen Leiter Franz Kurz, Martin Planegger und Ehrhard Laube das ganze Jahr über neben den Dienstplänen, der effizienten Abarbeitung von Einsätzen und der Beschaffung und Wartung von Ausrüstung, vor allem für ihre Aus- und Fortbildung verantwortlich. Neben der klassischen Wasserwacht-Arbeit sind regional bedingt vor allem die sehr vielen Bootseinsätze am Königssee, die Fließwasserrettung, das Rettungstauchen auch in größeren Tiefen, die Canyon-Rettung und die Eisrettung besondere Herausforderungen für die Ortsgruppe. Die Fähigkeiten und vielen Übungen in Seil- und Sicherungstechnik bewährten sich auch beim Schnee-Einsatz im Januar 2019, als die Wasserwacht beim Abräumen der Dächer unterstützte. Die Liste der 2019 absolvierten Fortbildungen ist lang: Acht Aktive nahmen an zwei Sanitätskursen teil, vier Bootsführer qualifizierten sich zum Praxisanleiter in der Bootsausbildung weiter, damit Auszubildende auch bei schwierigen Bedingungen mit Dunkelheit, Nebel und Wind an den heimischen Gewässern mit ihnen üben dürfen, vier Aktive werden 2020 mit ihrer Bootsführerausbildung fertig, Stefan Angerer absolvierte die Ausbildung zum Wasserretter und Leiter der Schnell-Einsatz-Gruppe (SEG) und drei Aktive werden 2020 mit ihrer Wasserretter-Ausbildung fertig. Darüber hinaus gab es zwei Strömungsretter-Fortbildungen, eine Ausbildung für das digitale Informations-Management-System des Roten Kreuzes (IMS), einen Erste-Hilfe-Kurs, eine Lehrgruppentagung für Taucher und Rettungsschwimmer, regelmäßige Ausbildungsabende und gemeinsame Übungen mit Bergwacht und Feuerwehr, zwei Fahrsicherheitstrainings mit der Kreisverkehrswacht und mehreren heimischen Fahrschulen und eine Eisrettungsausbildung. Die Ortsgruppe nahm 2019 auch 48 silberne Rettungsschwimmabzeichen und 131 Jugendschwimmabzeichen ab. „Die Präventionsarbeit ist enorm wichtig, weil wir durch gute Schwimmausbildung schon vorab viele Notfälle im Wasser verhindern!“, erklärt Schneider.
Ehrenamt nicht mit Beruf gleichsetzen
Die Berchtesgadener Wasserwacht setzt zur Nachwuchs-Gewinnung vor allem auf eine starke Jugendarbeit mit ihren jährlich drei Anfänger-Schwimmkursen, dem durch die Organisation betreuten Schulschwimmen und dem wöchentlichen Training mit 70 bis 80 Kindern jeden Donnerstag in der Watzmann-Therme, die ihre Basis ist. „Dort gewinnen wir die künftigen kleinen Schwimmer und Wasserretter! Die Kinder und Jugendlichen haben allein rund 3.000 Stunden geleistet“, erklärt Kurz, der offen in seinem Rückblick die steigenden Anforderungen und neuen Richtlinien des eigenen Landes- und Bundesverbands kritisierte und eine vernünftige und ausgewogene Ausbildung forderte: „Die Ehrenamtlichen sollen immer mehr und intensivere Ausbildungen machen; in einer auch durch Einsätze stark geforderten Ortsgruppe wie bei uns ist es echt schwierig, noch Nachwuchs zu finden, der sich die Vorgaben von oben neben Arbeit und Familie zeitlich und nervlich leisten kann! Mittlerweile haben wir schon fast inflationäre Zustände und jeder meint von oben, dass er noch eins draufgeben muss!“
Auf Spenden angewiesen
1.066 Fördermitglieder unterstützen die Arbeit der Berchtesgadener Wasserwacht finanziell. Die Bevölkerung drückt ihre Wertschätzung oft auch in größeren Spenden aus, die die Ortsgruppe auch dringend braucht: 2019 musste sie ein aufblasbares Zelt für Einsätze und Übungen kaufen sowie einen neuen Wasserrettungsanhänger für die umfangreiche Ausrüstung bei größeren Einsätzen, wobei auch fünf Aktive den Anhänger-Führerschein machten. Am Hochlenzer durfte sie Dank der Wirtsfamilie kostenlos ein Amateur-Funk-Relais aufstellen, das zur Personaleinteilung und internen Absprache bei der ressourcenschonenden Besetzung von laufenden Einsätzen dient – die Wasserwacht bedankte sich mit der Ausrichtung ihrer Jahresabschlussfeier in der Wirtschaft. Mit rund 7.000 Euro jährlichen Unterhaltskosten für Treibstoff, Wartung und Versicherung ist vor allem das große Boot am Königssee neben der Tauchausrüstung ein erheblicher Kostenfaktor. Im November fand das Benefizkonzert der Bergknappen-Musikkapelle Bad Dürrnberg in Berchtesgaden statt, wobei insgesamt 10.000 Euro für die BRK-Wasserwacht und die BRK-Bereitschaft zusammenkamen. Für den 6. Mai 2020 ist ein weiteres Konzert zugunsten der Wasserwacht und der Musikkapelle Bischofswiesen geplant, wobei das Gebirgsmusikkorps aus Garmisch aufspielt.
Kinder räumen den Dreck der Erwachsenen weg
Die Jugendgruppe beseitigte bei einer Müllsammel-Aktion Ende September am Königssee die Hinterlassenschaften der vor allem erwachsenen Touristen, da auch der Naturschutz eine Wasserwacht-Aufgabe ist: Einweg-Grills, Bierflaschen, in Plastik verpackte Grillkohle und vor allem unendlich viele Zigaretten-Kippen, von denen nur eine rund 50 Liter Trinkwasser vergiftet. „Unser Nachwuchs hat den Dreck der Erwachsenen weggeräumt; wenn sich die Mentalität der vielen Menschen in dieser noch einmaligen Natur nicht grundsätzlich ändert, kommen wir aus dem Schlamassel nicht mehr heraus!“ Für den Nachwuchs war das gesamte Jahr über viel geboten: Ein Zeltlager mit den Reichenhallern am Waginger See, eine Eisrettungsübung und eine Fließwasserübung zusammen mit den Aktiven und der Feuerwehr, ein Berufsfeuerwehrtag, das Ferienprogramm, ein Ausflug in die Erdinger Therme. Barbara Häusser berichtete eindrucksvoll mit vielen Bildern stellvertretend für die drei Jugendleiterinnen Katharina Hinterbrandner, Maria Planegger und Katharina Listl von den vielen Aktivitäten und lud zum einem organisationsübergreifenden Völkerball-Turnier am 29. Februar in der Turnhalle Königssee ein.
Erinnerung an verstorbenes Urgestein Alfons Kandler
„Im Himmel gibt es keine Engel mehr, die nicht schwimmen können!“ – mit diesen Worten erinnerte Elke Schneider an das letzte noch lebende Gründungsmitglied der Wasserwacht Bayern, Alfons Kandler, der 2019 90 wurde und in der Silvesternacht dann nach langer Krankheit verstarb. Er war 70 Jahre in der Wasserwacht aktiv, hat sehr viel für seine Ortsgruppe bewirkt und erreicht und war mit 86 Jahren noch in der Schwimmausbildung engagiert; das Schellenberger Freibad war seine zweite Heimat. Kandlers Sohn Stefan nahm als Ehrengast der Feuerwehr an der Jahreshauptversammlung teil und berichtete von einem Schriftstück, das nach dem Tod seines Vaters aufgetaucht war und in dem er ihn ausdrücklich aufforderte, seine Wasserwachtler von ihm zu grüßen. Bürgermeister Hannes Rasp dankte im Namen aller Gemeinden im Talkessel und seiner anwesenden Kollegen für die Arbeit der Wasserwacht und lobte neben der Absicherung der vielen Veranstaltungen vor allem die Jugendarbeit und Kameradschaft: „Es ist wichtig, dass unsere Kinder nicht nur in ihr Handy oder Tablet schauen!“ Polizeichef Willi Handke dankte für die gute Zusammenarbeit und berichtete vom neuen nach über 40 Jahren ausgetauschten Polizeiboot am Königssee, das zwar kleiner, aber schneller als das Wasserwacht-Boot ist. Vereinsvorsitzender Maximilian Menning von der Feuerwehr Marktschellenberg lobte stellvertretend für die anderen anwesenden Vertreter der Feuerwehren im südlichen Landkreis die kameradschaftliche und unkomplizierte Zusammenarbeit mit der Wasserwacht. Michael Brandner vom der Königssee-Schifffahrt lobte das sehr gute Verhältnis und die tolle Unterstützung durch die Wasserwacht.
Ehrungen und Auszeichnungen
Vorsitzende Elke Schneider (rechts) nahm Angelika Mastoraki, Wieland Schneider und Rebecca Streffing (von links) als neue aktive Mitglieder in die Ortsgruppe auf. Elke Schneider (rechts) zeichnete zusammen mit dem Vorsitzenden der Kreis-Wasserwacht, Rudolf Schierghofer (links), acht aktive und fördernde Mitglieder der Ortsgruppe aus (von links): Stefan Angerer (Ausbildung zum Leiter der Schnell-Einsatz-Gruppe), Johannes Schöbinger (45 Jahre Förderer), Nadine Komma (20 Dienstjahre &Wasserwacht-Medaille in Silber), Katharina Maltan (25 Dienstjahre & Wasserwacht-Medaille in Bronze), Gerald Stalla (30 Dienstjahre), Barbara Häusser (Wasserwacht-Medaille in Bronze), Josef Landthaler (35 Jahre Förderer) und Ada Pechstein (30 Jahre Förderer).
Désirée Gärtner (links) hat ihre Master-Arbeit im Studiengang Design und Produktmanagement an der Fachhochschule Salzburg in Zusammenarbeit mit der Berchtesgadener Wasserwacht verfasst, dabei als Schwimmhelferin ausgiebige Erfahrungen im Kinder-Schwimmunterricht und -training in der Watzmanntherme gesammelt und ein Modell für eine optimale Schwimmlernhilfe entworfen und gebaut, das vor allem die Anforderungen von Eltern und Angehörigen im privaten Gebrauch erfüllt. Vorsitzende Elke Schneider (rechts) dankte ihr für das umgesetzte Projekt.